Sowohl die Illustrationen die Limmer für die 'Illustrirte Zeitung' lieferte als auch die Momentphotographien der Scherlschen Publikationen waren angewiesen auf die Fahrpläne und Fahrzeiten der transatlantischen Schiffsfahrtslinien. Erst in der Woche ab dem 9. März konnte das Publikum der 'Illustrirten Zeitung' als auch der 'Woche' und des 'Tag' die ersten bildlichen Darstellungen der Prinzenreise anschauen. Zu diesem Zeitpunkt war Heinrich bereits auf seiner 'Blitzfahrt' und dem Publikum wurden erste originale Bilder der Überfahrt, des Empfangs in New York und Washington, der Schiffstaufe etc. geboten. Dies bedeutet nicht, daß es vorher keine anderen Abbildungen über die Reise gegeben hat. Man war weder bei der 'Illustrirte[n] Zeitung' noch bei den Scherlschen Publikationen abhängig gewesen von Abbildungen, die vor Ort bei der Reise angefertigt worden waren. Im Kontext der Vorberichterstattung als auch nach Beginn der Reise hatte es Abbildungen gegeben, die sich thematisch auf die Reise bezogen.
Außer den Stöwerschen Zeichnungen in der 'Illustrirte[n] Zeitung' gingen dort und in den Publikationen der Scherlschen Presse zahlreiche andere Abbildungen in Druck.
Man zeigte u.a. Zeichnungen und Photographien geplanter Veranstaltungsräume, das Tafelsilber, das der Prinz auf der Reise mitnahm, Portraits der amerikanischen Präsidentenfamilie und des 'Vorauskommandos' deutscher Offiziere. Die Darstellungen, die ab dem 9. März präsentiert wurden, bezogen sich nun auf die ersten herausragenden Ereignisse des Prinzenbesuchs vor Ort.

Als nur eine Woche später die ersten kinematographischen Vorführungen in Berlin stattfanden, stellten diese ebenfalls Ereignisse dar, die sich auf den Beginn der Prinzenreise bezogen. Vor allem die Ereignisse der Ankunft und die Schiffstaufe wurden dem Berliner Publikum auf dem Kinematographen präsentiert. Hier konnte es nun betrachten, was der Telegraph ca. 3 Wochen vorher wortreich gemeldet hatte und was die anderen bildlichen Darstellungen auf ihre Weise in der Berliner Massenpresse fast zeitgleich präsentierten.

Während die telegraphischen Meldungen in den Tageszeitungen nach der Rückkehr Heinrichs relativ rasch verstummten, gab es in den folgenden Wochen noch etliche weitere Abbildungen von einzelnen Stationen und Aktionen der Prinzenreise in der 'Woche'. Über weitere kinematographische Aufführungen der Prinzenreise nach der Heimkehr Heinrichs findet sich in der hauptstädtischen Presse allerdings nichts mehr.

Die Reise des kaiserlichen Bruders hatte natürlich auch ihre Karikaturisten und satirischen Kommentatoren gefunden.
Die temporeiche Zugreise stand im Mittelpunkt ihres Interesses. Die hektische Reise des deutschen Gastes auf dem amerikanischen Kontinent erschien hier fast als prototypisch für den Charakter sowohl des modernen Tourismus und auch für die Terminierungpraktiken moderner Staatsbesuche.

    "DerWelt-Record"

    Reise Erinnerungen unseres eigenen Berichterstatters, der die Blitzreise des Prinzen Heinrich mitmachte.- - - Dann fuhren wir weiter. "Das ist ja alles sehr interessant," sagte ich zu Excellenz von Holleben, "aber wir müssen doch bald in Chicago ankommen." "In Chicago sind wir ja schon gewesen," erwiderte er. "Wann denn eigentlich?" Na kurz hinter Buffalo, kaum tausend Kilometer von dort." "Das thut mir leid. Ich habe Buffalo nicht bemerkt; und deshalb ist mir auch Chicago entgangen." "Daran sind sie selbst schuld; Sie müssen nicht immer zur falschen Seite aus dem Waggon schauen." Dann fuhren wir weiter.

    "Bitte, Excellenz, zu welcher Seite muss man heraussehen, um Pittsburg zu bemerken." "In Pittsburg haben wir soeben feierlichen Empfang gehabt." "Sie meinen das kleine Mädchen, das wegen der Schnelligkeit des Zuges seinen Blumenstrauss nicht überreichen konnte?" "Nein, das war in Richmond." "Aha, bei dem gefrorenen Wasserfall!" "Sie verwechseln das. Der gefrorene Wasserfall war anderswo, in Pittsburg stand der Bürgermeister..."

    "Und rief: 4 Sekunden Aufenthalt! ganz recht jetzt besinne ich mich. Der Augenblick war mir eine Minute lang unvergesslich." "Dann müssen Sie doch wissen, dass der Bürgermeister eine sehr lange Rede hielt, bei deren zweiten Satz wir allerdings schon in Cincinnati waren."

    Dann fuhren wir weiter. "Weshalb halten wir denn auf diesem Bahnhof?" fragte ich nach einer kleinen Weile, während der wir vermuthlich in Indiana und Ohio gewesen waren."Weil sich hinter diesem Bahnhofe eine ungeheure, höchst sehenswerthe Stadt befindet, deren genaue Besichtigung mindetens zehn Minuten beanspruchen würde." "Woraus schließen sie das?" "Weil wir hier halten." "Wenn es ihnen keine Schwierigkeiten macht, so könnten sie mir vielleicht mittheilen, wie dieser hochbedeutende Ort heisst?""Das lässt sich im Momente nicht so leicht ermitteln. Es ist entweder Boston oder Philadelphia, eventuell Milwaukee, falls es nicht Detroit oder Memphis ist. Ich werde den Zugführer fragen, sobald wir in St. Louis angekommen sind."- - - Dann fuhren wir weiter. m."

Die "Vergnügungsfahrt" des kaiserlichen Bruders in den USA lieferte den 'Lustigen Blättern' auch die Vorgabe für einen Blick auf zahlreiche nationale Stereotypen und Klischees der aufstrebende Nation jenseits des Atlantik, wo die kulturellen und technischen Errungenschaften der 'Moderne' vor allem immer größer und schneller erschienen als zu Hause. Daß das Programm in Zusammenarbeit mit deutschen Stellen zusammengestellt worden war, spielte hierbei keine Rolle.

    "Das Programm für die "Vergnügungsfahrt" des Prinzen Heinrich durch die "Vereinigten Staaten" ist jetzt festgestellt. Etwas reichlich werden die Genüsse ja werden; aber wer die Gesundheit des Prinzen all das ihm zugedachte Amüsement aushält, dann wird er eine dauernde herrliche Serie von Erinnerungsbildern an diese Lustfahrt mitbringen. Im nachstehenden bringen wir das Programm, wie es der aus 359 Amerikanern bestehende "Vergnügungsausschuss" für den Tag der Reise von Buffalo nach Cleveland festgesetzt.

    4 Uhr 30 morgens. Wecken durch die um das prinzliche Bett in den Trachten aus der Zeit Montezumas gruppirten fünfzig Posaunen-Bläser-Chöre des Staates New York. 4 Uhr 36 Min. Frühstück serviert von den Damen der Quäkergemeinde des Staates Pennsylvannia. Frauenchöre und Lebende Bilder. 4 Uhr 50 Min. Rundfahrt mit Pechfackeln um die noch im Dunkel der Nacht schlummernde Stadt Buffalo. Alarmierung der Feuerwehren. Ablöschen eines künstlichen Brandes von 120 achtzehnstöckigen Häusern. 5 Uhr 20 Min. Verabschiedung sämmtlicher städtischen Kooperationen auf dem Bahnhof. Überreichung von 41 Ehrenbürgerbriefen. Gesangsvorträge des deutschen Männergesangsvereins "Arion" von Buffalo. 5 Uhr 40 Min. Abfahrt in der Richtung Cleveland. Wettrennen des prinzlichen Fliegerzuges mit den berühmtesten Schnellzuglokomotiven der Staaten Illinois und Nord-Carolina.[...]

    3 Uhr 30 Min. Vorführung des neuesten Edison'schen Apparates für Gedankenübertragung auf Entfernte.[...] 4 Uhr 10 Min. Ankunft in Dunkirk. Ansprachen des Bürgermeisters, der Vorstände der Stadtverordneten, der Centralheizanlage, des Schlachthofs, der Freimaurerlogen und der Kleinkinderschulen.
    4 Uhr 30 Min. Umfahrt um die Stadt im Automobil. Da die Zeit knapp bemessen ist, haben alle Museen ihre Sehenswürdigkeiten auf die Straße gestellt, auf der der hohe Gast in rasendem Tempo an ihnen vorbeisaust.[...]
    9 Uhr. Im Rauchzimmer des Fliegerzuges: Vorstellung der Circus Barnum. Vorführung von 245 Abnormitäten und der verwachsensten Menschen von ganz Amerika.
    10 Uhr. Vorstellung sämmtlicher Veteranen aus den drei letzten Kriegen. Ring-und Boxerkämpfe.
    10 Uhr 15 Min. Galavorstellung nach amerikanischer Art. Gespielt wird immer ein Akt des "Burggrafen" abwechselnd mit einem Akt des "Pferdediebs" von Dakota. Während der Vorstellung wird Kritik und Festbericht geschrieben und auf Rotationsmaschinen sofort gedruckt.
    12 Uhr 30 Min. Unmittelbar nach Beendigung der Vorstellung hält Mark Twain eine humoristische Conférence über die Behaglichkeit des Reisens in Amerika."

Das Tempo der Reise faßte man in den 'Lustigen Blätter[n]' auch in einer 10- teilgen Bildergeschichte. Hier erschienen die Kinematographie und der Phonograph als die geeigneten Mittel, die Hektik als maßgebliche Charakterisierung der Reise zu veranschaulichen.

Immer sieht man den Prinzen einzelne Bilder - die jeweils einzelne Stationen der Reise darstellen - mit großen Schritten - oftmals in dynamischer Schräglage - durchschreiten. Nie sieht man ihn rasten und so gut wie nie ist sein Gesicht zu erkennen. Seine Gastgeber folgen ihrem eiligen Gast - der meistens die Bildchen von links nach rechts im Laufschritt durchquert - mit nach Rechts gehenden Blicken und in diesselbe Richtung sich richtende Körpern. Beides verleiht dem bildlichen Geschehen eine zusätzliche Dynamik.

Entgegen der tatsächlich in der zeitgenössischen Presse präsentierten anderen Darstellungsmöglichkeiten - des gedruckten Wortes, der zeichnerischen Illustration und der (Moment)photographie - erhielten die Kinematographie und der Phonograph in der Überspitzung der Karikatur eine herausgehobene Position. Die Kombination der kinematographischen und der parallelen phonographischen Aufzeichnung spiegelte dabei technische Experimente von Aufnahme- und Vorführungspraktiken der Jahrhundertwende, die sich - mit unterschiedlichem Erfolg - um die Synchronisierung von Ton und kinematographischem Bild bemühten. Die Darstellung der temporeichen Prinzenreise mittels dieser neuen optischen und akustischen Aufnahme- und Präsentationsverfahren kennzeichnete den Charakter der Reise als überaus modernes Ereignis. Sie ging dabei auch über technische Möglichkeiten der Zeit hinaus. Es war wohl zu dieser noch nicht möglich, akustische Aufnahmen von Staatsbesuchen herzustellen. Die ersten gelungenen Vorführungen der Messterschen Tonbilder sollte es zudem bekanntlich erst am 31. August 1903 im Berliner Varieté Apollo geben.

Eine mögliche kinematographische Präsentation, d.h. die Vorführung der 'Reisebilder' vor einem Publikum an den Orten großstädtischen Vergnügens - und offensichtlich auch denen der Wanderkinematographie - erhielt dabei wiederum den Vorzug vor anderen möglichen Darstellungsmöglichkeiten der Reise in der zeitgenössischen Massenpresse und deren Publikum.

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