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I Kinematographie in der Massenpresse
Im Mittelpunkt der nachfolgenden Analyse steht das Verhältnis von Massenpresse zur Kinematographie im Berlin der Jahrhundertwende.
Zur Analyse herangezogen wurde der in großer Auflage erschienene 'Berliner Lokal-Anzeiger' aus dem Hause Scherl, der über den gesamten Untersuchungszeitraum hin ausgewertet wurde. Der auf eine breitere, überwiegend kleinbürgerliche Leserschicht ausgerichtete 'Lokal-Anzeiger' wurde ergänzt durch die aus dem selben Haus stammenden wöchentliche illustrierte Zeitschrift 'Die Woche' und die illustrierte Tageszeitung 'Der Tag', die stichprobenartig zur Analyse herangezogen wurde. Ebenfalls stichprobenartig wurde das liberale Konkurrenzblatt zur Scherl'schen Produktion aus dem Hause 'Ullstein' ausgewertet , die 'Berliner Morgenpost'. Die aus dem selbem Haus stammende 'Berliner Illustrirte Zeitung' wurde ebenfalls über den gesamten Untersuchungszeitraum ausgewertet. Klar wurde bei der Recherche und der Analyse sehr schnell die marginale Repräsentanz der Kinematographie in der Tagespresse. Sie fand sich in den standardisierten Spalten der reklametreibenden Vergnügungsindustrie, (Varietés, Possentheater, Brauereien) eingebunden in die bereits bestehenden Formen der Reklame dieser Branche. Die von dieser Industrie ebenfalls geschalteten Annoncen waren für die Analyse nicht relevant, da hier noch weniger über die spezifische Qualität der Kinematographie zu erfahren war.
Meist wurde die Kinematogaphie summarisch als Bestandteil der unterschiedlichen angebotenen Programme erwähnt. Gab es einmal eine Erwähnung von einzelnen Filmen, waren dies meist Filme die besonders nachrichtenwerte, gesellschaftliche und politische Ereignisse darstellten, die ihrerseits Bestandteil der Erörterung in der Presse waren. Sie stehen im Mittelpunkt der folgenden Darstellung. Eingebunden in den textlichen und bildlichen Kontext der Massenpresse wird dabei das Verhältnis von früher Kinematographie und Tagespresse deutlich: Die Presse selektierte überwiegend die Kinematographie nach den für sie selbst relevanten Kriterien. Die Satireblätter 'Ulk' und die 'Lustigen Blättern' lieferten darüber hinaus die Einbindung der Kinematographie in die satirische Bearbeitung gesellschaftlicher Zustände und politischer Begebenheiten. Die gute Repräsentanz der Kinematographie in der 'Berliner Damen-Zeitung' macht die Bedeutung der Kinematographie als Unterhaltungsmedium auch für die weiblichen Angehörigen der gehobenen Schichten deutlich.
Die Massenpresse bildete auch die Grundlage für die Rekonstruktion der politischen und gesellschaftlichen Mentalitäten in die ich die Kinematographie der Jahrhundertwende im Folgenden stelle: Die sensationelle Reise des Bruders der Deutschen Kaisers in die USA 1902; die Reise des Kaisers nach Palästina 1898 und der Krieg der Engländer in Transvall waren von der Massenpresse in vielfältiger Form bearbeitete Themen, deren Zusammenhang mit der zeitgenössischen Kinematographie analysiert wird.
Die Reise des Prinzen Heinrich in die USA geriet dabei zu einem der ersten politischen Medienereignisse im 20. Jahrhundert. Die nach den USA geschickten Sonderkorrespondenten berichteten in seitenlangen, detailgenauen Beiträgen, die an die an Bildhaftigkeit in der Tradition des 19. Jahrhunderts standen (Kuchenbuch) und waren den bildlichen und kinematographischen Aufnahmen wegen ihrer telegraphischen Übermittelbarkeit an Schnelligkeit überlegen. Bevor das Publikum die bildlichen und kinematographischen Darstellungen sah, war ein großer Teil der Zeitungslesenden anschaulich über die Ankunft und die einzelne Reisestationen des Prinzen informiert.
Die Analyse der Reise des Prinzen Heinrich in die USA beginnt mit der Repräsentation der Kinematographie in den Tageszeitungen und arbeitet Gemeinsamkeiten und Differenzen heraus. Danach schließt sich die Einbindung in den politisch-historischen Kontext an. Abschließend wird ein Einblick gegeben in die internationalen Verflechtungen des Filmmarktes, die sich anläßlich dieses Ereignisses ergeben hatten.
Die Reise des Deutschen Kaisers nach Palästina von 1898 wurde in der Öffentlichkeit extrem kontrovers diskutiert. Die Bindung dieser Reise an die gehobenen gesellschaftlichen Schichten, die durch die Beschreibung der kinematographischen Vorführungen in der 'Berliner Damen-Zeitung' besonders augenfällig wurde, wird in ihren unterschiedlichen Facetten dargestellt.
Der Krieg der Engländer gegen die Buren in Transvaal gehörte um 1900 in der englandfeindlich eingestellten deutschen Öffentlichkeit zu den intensiv diskutierten Themen. Die satirische Bearbeitung des Krieges im Zusammenhang mit der Kinematographie ist Ausgangspunkt dieses Abschnittes, in dem ebenfalls die politischen und die mentalen Kontexte dieses Phänomens rekonstruiert werden. Abschließend wird auch hier auf die Situation auf dem diesbezüglichen Filmmarkt eingegangen.
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