Doch nochmals zurück zum Promenadenkonzert des Freiherrn, der den 'vergnüglichen Konsum' der Anwesenden für den guten Zweck vor Beginn der "Spezialitätenvorstellung" beschrieb:

    "Was an bedeutsamen Personen in Berlin ist, erscheint nach und nach auf dem Markte. Da sehen wir die preußischen Minister an der Schankbude der Gräfin Monts das Glas kühlenden Sektes mit Doppelkronen zahlen und dort ein paar Generale den echten "Kola= Likör" einer ernsten Prüfung unterziehen. Und durch die wogende Menge drängen sich die Boten der Blumenspenderinnen, (die Blumen wurden ebenfalls für den 'guten Zweck' verkauft, I.K.) immer neue Vorräthe vorbeibringend."

Nicht immer gehörten die bereits erwähnten "Spezialitätenvorstellungen" zum festen Bestandteil der zahlreichen Wohltätigkeitsveranstaltungen der Jahrhundertwende. Fester Bestandteil der Feste war allerdings der oben schon beschriebene 'vergnügliche Konsum' für die gute Sache. In der Vorbereitung der Feste war die Beschaffung der Sachspenden für den 'Bazar' denn auch eine der Hauptaufgaben. Sie gehörten neben der Organisation des leiblichen Wohls - dazu zählten die verschiedensten Getränkestände sowie ein großes Büffet - und der Programmplanung für den Unterhaltungsteil zu den wichtigsten - und nicht unumstrittenen - Aufgaben, die die Vorbereitungscomités zu bewältigen hatten:

    "Durch diese Form des Bettelns für Arme werden aber ganz besonders Künstler, d.h. die bildenden in Mitleidenschaft gezogen. O, die Tombola ist eine wahre Martererfindung für die von der Natur mit Farben=und Formsinn Bevorzugten! Schon im October beginnt der Ansturm. Ja, die Armen begnadeten können und müssen sich schon mit Engelsgeduld wappnen, wenn die Eriszinsthätigkeit kaum einsetzt. Die Maler, die Bildhauer, die Gewerbe=Künstler, sie sind es, die immer von neuem nur eine ganze Kleinigkeit für die Tombola stiften müssen. Es ist erstaunlich, was da alles an Skizzen und Bildern der namhaftesten Meister zusammengebettelt wird."

Von der Sammelwut der Vorbereitungcomittés schienen jedoch nicht nur die Künstler betroffen gewesen zu sein. Das satirische Gedicht im 'Ulk' entbehrte sicherlich nicht eines realen Hindergrundes. Zumindest aber illustrierte es die von den Zeitgenossen beobachtete Problematik der Beschaffung der Waren für die Bazare und deren sozialen Folgen auf humorvolle Weise:

    "Das Opfer der Bazare"
    Ich hatte, Gott sei Dank! zu leben,
    Doch leider wurde schnell bekannt,
    Dass ich ein steter Freund vom Geben,
    Was man so nennt "ne' offne Hand."

    Bei zwanzig und noch mehr Bazaren
    Mit Namen, die ich schon vergass,
    Vermehrte ich die Zahl der Waaren
    Durch Dinge, die ich selbst besass.

    Bald schickte ich die feinsten Bücher
    Im Einband roth und blau mit Gold,
    Bald Wäsche, Hand - und Küchentücher,
    Gesäumt, gestrickt, gestärkt, gerollt.

    Bald Albums, Bildermappen, Nippes
    Und manchen guten Kupferstich -
    Man kam zu mir und sagte: "Gieb es!"
    Und alles, alles schenkte ich.

    Ich gab den Wein aus meinem Keller,
    Die Wurst aus meinem Rauchfang her,
    Ich gab das Kälberne vom Teller,
    Und Kohlen gab ich zentnerschwer.

    Und Röcke gab ich, Hosen, Westen,
    Für Leute, welche überschwemmt,
    Ja, ja, ich gab zu ihrem Besten
    mein allerletztes Jägerhemd !

    Nun steh' ich da: zwar ohne Tadel,
    Jedoch auch nackt und bloss und bar.
    O hilf mir, Publikum und Adel,
    Mit einem großen Hilfs-Bazar. F.E.

Die Wohltätigkeitsfeste als gesellschaftliches Phänomen waren noch in weiteren Aspekten ein beliebtes Thema für die satirische Presse der Zeit. Sie kommentierte nicht nur im Text, sondern auch im Bild, die Veranstaltungen. Sie griffen dabei die Problematik des 'Vergnügens' auf dem Unglück der Anderen heraus, ebenso wie die - von den anderen Blättern nur gelegentlich Erwähnung findende - Annäherung der Geschlechter auf diesen Veranstaltungen. Karikiert wurde auch die Rastlosigkeit der 'Vergnügungssüchtigen' und deren Verbindung zur Presse, die als Spiegel des gesellschaftlichen Treibens fungierte. So bot der Abreisskalender eines 'Cavaliers' am Ende des Saison u .a. folgenden Eintrag: "Sonntag, 15. März: 12 Uhr: Sektprobe im Austernkeller; daran anschließend Comitésitzung "Zur Speisung armer Neger-Kinder in Klein Popo"(...) um nach weiteren hektischen Aktivitäten am 21. März mit der publicityträchtigen Aufbahrung des 'Cavaliers' zu enden: "Sonnabend, 21. März (Frühlingsanfang): Aufbahrung meiner Leiche ...Spezialaufnahmen der Blumenarrangements für die 'Woche'."

Die Beliebheit und den Bekanntheitsgrad der Veranstaltungen nutzte auch die Gemeinschaftwerbung von 'Henckell trocken und Stollwerck Chocolade', die sich als Lieferanten für das leibliche Wohl auf diesen Veranstaltungen sahen. Die Werbung fand sich in den 'Lustigen Blättern' als auch in der 'Illustrirten Zeitung'.

Natürlich gehörte auch die Transformierung des gesellschaftlichen Phänomens der Wohltätigkeitsfeste in die politische Sphäre zum Gegenstand in den Zeitschriften. So annoncierte der 'Ulk' am 20.Mai 1898 unter Anspielung auf die Auseinandersetzungen der 'Agrarier', die sich als Opfer des forcierten Flottenausbaus zu ihren eigenen Ungunsten verstanden, eine "Wohltätigkeits = Konzert = Anzeige." Hier wurden seitens der Redaktion des 'Ulk' angekündigt "(...) eine musikalisch-deklamatorische Matinee zum Besten des Wahlfonds der nothleidenden Landwirtschaftsbündler und einiger ins Elend gerathener Großgrundbesitzter (...)."

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